Citizen Science – was ist das? Wörtlich übersetzt heißt das Bürger-Wissenschaft. Und es ist genau das! Forschungsprojekte, die nicht im Elfenbeinturm durchgeführt werden, sondern von dort zwar entwickelt und begleitet werden – aber eben von interessierten Laien durchgeführt werden.

Für ein solches Projekt habe ich mich heute angemeldet, nämlich für U-Cycle. Hier geht es um die Wirksamkeit von urinbasierten Recyclingdüngern im urbanen Gartenbau – und um deren Akzeptanz.

Yikes! Pipi-Dünger? Finden viele schrecklich eklig. Wie kommt man denn auf sowas?

Also: die gängigsten Universaldünger enthalten alle Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K). Man nennt sie deshalb auch NPK-Dünger. Und Urin enthält – tadaaaa: Stickstoff, Phosphor und Kalium.

Noch ist Urin in Deutschland bzw. der EU, nicht als Düngemittel zugelassen. Wir sprechen von menschlichem Urin. Was an Gülle aus Massentierhaltung auf die Felder gelangt, scheint weniger „igitt“ zu sein und die Medikamentenrückstände aus der prophylaktischen Antibiotikabehandlung der Tiere auch nicht… Das Fass mache ich aber erst nächste Woche auf…

Im Projekt wird deshalb mit „künstlichem“ Urin gearbeitet – ein „Abfallprodukt“ aus der Luft- und Raumfahrttechnik, mit dem aber untersucht werden kann, ob sich Dünger aus Urin für den städtischen Gartenbau eignet – sowohl was Wirksamkeit, als auch was Akzeptanz angeht.

Wieso denkt man über sowas nach, wenn es so viel weniger ekligen „Kunstdünger“ gibt?

Zum Beispiel,…

…weil die Stickstoffdünger-Herstellung energieintensiv ist! Man schätzt, dass 1-2% des weltweiten Energieverbrauchs allein auf das Konto der Stickstoffdünger-Herstellung geht!
… weil dazu noch kommt, dass der Bergbau, in dem die fossilen Phosphatlager abgebaut werden, landschaftszerstörend ist und außerdem mit dem Abbau auch giftige Schwermetalle anfallen – die mit in den Dünger und letztendlich auf unsere Teller gelangen.
…weil ganz davon abgesehen, die Phosphatvorkommen begrenzt sind.

Dabei produzieren wir täglich selbst Dünger, indem wir unsere Nahrung verdauen – und dann NPK „freisetzen“ – indem wir aufs Clo gehen. Und was tun wir? Spülen mit feinstem Trinkwasser nach, das damit zu Schwarzwasser wird, vermischen es noch mit schadstoffbelastetem Wasser aus Küche, Bad, Industrie, Straßenabfluss bei Regen – und im Klärwerk soll das dann so behandelt werden, dass es der Umwelt nicht mehr schadet. Nicht nur dass das eine unfassbare Verschwendung von Trinkwasser ist – die Kommunen verwenden im Schnitt 20% ihres Energieverbrauches auf diesen Klärvorgang! Mit dem Ergebnis, dass trotzdem 45% des Stickstoffs in unsere Gewässer gerät. Und der Klärschlamm, mit all seinen Schadstoffen, Schwermetallen, Pharmarückständen – wird als Dünger auf die Felder ausgebracht. Nicht igitt?

Würde man Urin abtrennen, würde der Trinkwasserverbrauch gesenkt. Und zwar auf unfassbare 1%. 75% des Stickstoffs, 50% des Phosphats könnten herausgefiltert werden, die Abwässer wären weniger schadstoffbelastet. Das von der DLR entwickelte Verfahren ist chemiefrei und verbraucht nur sehr wenig Energie. Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu knapp 20% des Düngebedarfs so gedeckt werden können.

Zusammengefasst und plakativ verkürzt: würden wir unseren eigenen Dünger pinkeln

  • schonten wir die Landschaft
  • erhielten wir natürliche fossile Ressourcen und vermieden Kollateralschäden durch Freisetzung von Schadstoffen
  • reduzierten wir den weltweiten Energieverbrauch
  • reduzierten wir den Trinkwasserverbrauch

Im Projekt sind ca. 100 Gärten deutschlandweit. Die Gärtner*innen bekommen Dünger geliefert und berichten im Gegenzug an das Projektteam des IGZ (Leibnitz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenanbau) zurück, wie sich die Pflanzen im Vergleich zu anders oder auch gar nicht gedüngten Kontrollflächen mit gleicher Bepflanzung entwickeln. Das Ganze läuft über zwei Jahre und ist das Folgeprojekt Pilotprojekts Urban Cyles in Berlin und Brandenburg.

Viele Permies haben ja im Garten schon ein Kompostclo. Für Stadtgärtner*innen, die nur auf Balkon, Terrasse, Fensterbrett, im Vorgärtchen oder im Hinterhof anbauen, ist das keine echte Alternative. Ein kaufbarer Dünger aus Urin, der deutlich umweltschonender gewonnen werden könnte, wäre dagegen schon eine.

Oder was meinst du? Fändest du Dünger aus Urin auch nach der Aufbereitung viel zu eklig, um ihn zu verwenden?

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