Wenn du auch gerade bei der Planung bist, was du dieses Jahr anbauen willst, stößt du in Saatgutkatalogen vielleicht auf Hybrid-Saatgut. Manchmal steht auch nicht Hybrid, sondern die Abkürzung F1 drauf. Angepriesen wird dieses Saatgut mit besonders hohen Erträgen. Aber was ist Hybridsaatgut überhaupt?

Für Hybridsaatgut werden verschiedene Pflanzen aus Inzuchtlinien gekreuzt, In diesen Inzuchtlinien wurden bestimmte, erwünschte Eigenschaften gezüchtet. Zum Beispiel dass eine Möhrenart besonders gut mit Beikrautkonkurrenz zurechtkommt. Oder – dass bei einer Möhrenart alle Wurzeln fast zeitgleich reif werden. Verkreuzt man diese Elternlinien, entstehen besonders konkurrenzstarke UND gleichzeitig reifende Möhren. Das Beispiel ist übrigens bewusst gewählt, denn in der konventionellen Saatgutzucht gilt der Augenmerk weniger „lecker und nährstoffreich“, sondern eher Anforderungen der industriellen Landwirtschaft. Die Zuchtauswahl geht in Richtung, Ertragssteigerung, einheitliche Erntezeitfenster (rationelle maschinelle Ernte), Gleichmäß9g große Früchte (vereinfacht Verpackung, Transport und erspart das Wiegen, weil Stück- statt Kilopreise möglich werden). Außerdem sind die Pflanzen oft auf Resistenz gegenüber Pflanzen“schutz“mitteln gezüchtet – die sie brauchen, weil sie, das bringt Inzucht mit sich, mit Herbiziden, Pestiziden und Fungiziden und genau auf sie abgestimmtem Dünger unterstützt werden müssen, um überhaupt die Erntereife zu erreichen. Inzucht führt nämlich – wenig überraschend – zu schwachen Pflanzen, die Schadeinflüssen wenig Abwerh gegenübersetzen können.

Einheitlichen und hohen Ertrag erkauft man sich also damit, dass die Böden weiter belastet werden, das Bodenleben immer mehr abnimmt und damit die Böden immer unfruchtbarer werden.

Und – das war noch nicht alles! Anders als samenfeste Sorten können Hybriden nicht sortenecht weitervermehrt werden. Einfacher ausgedrückt: nimmt man Samen aus Hybriden und sät diese wieder aus, haben die neuen Pflanzen nicht mehr dieselben Eigenschaften wie die Pflanzen, von denen man die Samen abgenommen hat. Alle möglichen Eigenschaften der Ursprungspflanzen können sich wieder herausmendeln. Die positiven Eigenschaften halten sich also nur eine Generation! So habe ich z.B. aus einer angeblichen „ungarischen Spitzpaprika“, die ich geschenkt bekam, lecker fand und zu vermehren versucht habe, unter anderem höllenscharfe kleine rote spitze Chilis bekommen, aber ebenso kleine, glockenförmige, gelb abreifende und sehr milde (leider auch sonst geschmacksneutrale) Minipaprika.

Und damit noch nicht genug: Weil durch Inzucht Widerstandskraft und Abwehrmechanismen gegen Schadeinflüsse verlorengingen, sind die Samen von Hybriden – vom Roulette, was wohl dabei rauskommt – auch weniger keim- und weniger überlebensfähig.

Will man eine bestimmte Hybrid-Sorte also genau so wiederhaben, muss man das Saatgut jedes Mal neu kaufen. Am Geldbeutel macht sich das für Selbstversorger auf kleinstem Raum vielleicht nur mit wenigen € im Jahr bemerkbar. Für Bauern im globalen Süden bedeutet Hybridsaatgut aber, dass sie Saatgut nicht, wie seit Jahrtausenden üblich, selbst gewinnen können, sondern es teuer einkaufen müssen. So teuer, dass er sich dafür verschulden. Und: weil Hybride auf Ertrag gezüchtet sind, nicht auf Widerstandsfähigkeit, braucht es bis zur Ende ständig auf diese Hybridsorten abgestimmte Dünger, Herbizide, Pestizide und Fungizide. Die ebenfalls teuer sind – weshalb sich die Bauern weiter verschulden müssen. Im Sinne einer globalen Mitverantwortung für Erde und Menschen (Earth Care – People Care – Fair Share) ist es also ganz und gar nicht egal, ob wir mit dem Kauf von Hybridsaatgut die marktbeherrschenden großen Saatguthersteller weiter stärken.

Übrigens sind die Hersteller der „passenden“ –izide und Dünger genau dieselben Hersteller, die das konventionelle Hybridsaatgut herstellen. Und damit nicht genug: bereits über die Hälfte des konventionellen Saatgutes ist bereits patentrechtlich geschützt. Was bedeutet: selbst nicht hybrides, aber konventionelles und patentiertes Saatgut darf nicht vom Bauern vermehrt werden.

Eine empfehlenswerte Dokumentation zum Thema ist der Film „Bitter Seeds“.

Übrigens – wenn du jetzt denkst, dich geht das alles nichts an, weil du ja Bio-Saatgut kaufst, muss ich dich leider enttäuschen. Es gibt auch Hybridsaatgut mit Bio-Zertifizierung und Hybride werden auch im ökologischen Landbau, insb. im Gemüseanbau, eingesetzt. Und wie „bio“ Bio-Saatgut tatsächlich ist, darüber nächsten Sonntag!

Wie kommst du zu deinem Saatgut für die kommende Saison? Hast du Einkaufstipps?

Quellen:

 

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