Ich schau mir ja immer gerne Gärten anderer Leute an und höre, was sie so alles ausprobieren. Nachdem mir das Buch Naturgarten & Permakultur von Markus Gastl in die Hände gefallen ist, war mir klar, dass ein echter Permakulturgarten eigentlich gar nicht anders kann, als gleichzeitig ein Hortus zu sein. Für mich gehört der Schutz der Artenvielfalt einfach zur Permakultur dazu. Und seit diesem Jahr hab ich ja auch einen Mini-Hortus, das City-Paar-Zellchen.

Klar, dass ich mir den Ur-Hortus, den Hortus Insectorum, unbedingt mal ansehen wollte. Und natürlich auch den später entstandenen Hortus Felix. Just an meinem Geburtstag standen die nächsten Führungen an – das war doch eine geniale Ausflugsidee.

Die Führung im Hortus Insectorum startet am riesigen Bienenhotel, das er vor Jahren angelegt hat – das aber gar nicht soooo den Riesennutzen hat. Denn: nur 20% der heimischen Wildbienen nehmen Niströhren in Totholz an. Und: so viel Nachbarschaft birgt auch Risiken. Krankheiten breiten sich rasend schnell aus – grad so, wie wir Menschen es in den Pandemiejahren erleben durften. Finde ich sehr sympathisch, nicht nur die tollsten Ecken zu zeigen und die größten Erfolge vorzustellen, sondern auch mal Kritisches und Irrglauben anzusprechen.

Dann ging es durch die Pufferzone, die nicht nur für Privatheit sorgt, sondern auch Lärm und Schadstoffeinträge abmildert, dann zu den berühmten Steinpyramiden, entlang der Magerwiesen und –bete und zu mehreren Teichen. Spannend z.B., dass Gelbbauchunken, deren Bestand stark gefährdet ist, nur ganz flache Tümpel brauchen, denn sie leben nicht ganzjährig im Wasser. Friert so ein Tümpel im Winter zu, sind die Unken längst weg. Die häufig zitierte notwendige Wassertiefe von mindestens 0,8m bezieht sich auf Teiche mit Fischbesatz. Diese flachen Tümpel sind übrigens ausbetoniert, um sie komplett leeren und reinigen zu können. Dabei sterben zwar die Libellenlarven – das ist aber durchaus Kalkül, denn die sind Fressfeinde des Gelbbauchunken-Nachwuchses – aber noch viel häufiger anzutreffen, als die Unken. Fand ich auch sehr sympathisch, die offene Abwägung, welche Art schützenswerter ist und die Erkenntnis, dass nicht alles auf einmal geht.

Magerwiesen und –beete zeigen übrigens eindrücklich, wie sehr spezialisiert unsere einheimischen Wildpflanzen sind. Der Färberwaid z.B. bevorzugt extrem magere, trockene und warme Standorte – ihm ist es sogar in der Mitte eines Magerbeets noch zu fett, so dass er sich nur am Rand einfindet. Beschattung, ein wenig besserer Boden, weil um die Obstbäume herum nicht abgemagert wurde – sofort ändert sich die Vegetation auf kleinstem Raum.

Damit der Boden mager bleibt, muss die Wiese gemäht und das Mähgut abtransportiert werden. Das passiert nicht auf einmal, sondern in Etappen, so finden die Tiere immer noch Nahrung und Zuflucht. Auch wird erst gemäht, wenn die Pflanzen sich aussamen konnten.

Übrigens vertritt Markus die Meinung, dass nicht alles über den Winter stehenbleiben muss, um Insekten das Überwintern in Stängeln zu ermöglichen. Tatsächlich habe ich nach längerem Googeln auch nur gefunden, dass Insekten in Stängeln von Stauden und Sträuchern überwintern. Zum Nutzen von Grashalmen und zierlichen Wildblumenstängeln habe ich nichts gefunden und kann mir auch nicht vorstellen, dass das, was lappig und durchnässt mehr liegt als steht und im Spätwinter sich in Schmodder verwandelt, als Quartier ausgewählt wird. Ein guter Kompromiss ist jedenfalls die „Inselmahd“, bei der die Wiese gemäht und abgeräumt wird, aber dort, wo es besonders üppig blüht und/oder kräftige Pflanzen stehen, drumherum gemäht wird. Bei der letzten Mahd können so auch Samenstände, die als Winternahrung dienen (z.B. Wilde Karde, Wilde Möhre) bleiben. Damit ist allen Gartennutzern Rechnung getragen und es schaut auch interessanter, weil strukturreicher, aus.

An Magerstandorten muss vermieden werden, dass die Nährstoffe durch verrottendes Gras in den Boden zurückgehen und ihn so aufdüngen. Denn – je fetter die Wiese, desto weniger Artenvielfalt. Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft wird das Mähgut dann dahin gebracht, wo der Boden nährstoffhaltig sein soll – in die Ertragszone!

Beim Thema Ertragszone kommt der Hortus Felix ins Spiel. Während der Hortus Insectorum tatsächlich vor allem der tierischen und pflanzlichen Vielfalt gewidmet ist, hat der Hortus Felix auch einen beachtlichen Selbstversorgeranteil mit Gemüsebeeten, Obstbäumen und –Sträuchern, Hühnern… Aber natürlich eben auch die Pufferzone und Hotspotzonen. Sehr kreativ übrigens! Der alte, kaputte Swimmingpool der Vorbesitzer wurde zu einem Kraterbeet erklärt, in dem trockenheits- und sonnenliebende Pflanzen, insb. auch viele Steingartenpflanzen gedeihen.

Keyhole-Beet, Mondsichelbeete (an den Hang gebaute Beete) und Kräuterspirale stehen da. Sie alle werden erstmal „leer“ gebaut, dann mit anfallenden Grün“abfällen“ befüllt und schließlich direkt bepflanzt. So spart man sich das separate Kompostieren und Transportieren des Komposts, weil an Ort und Stelle der Verrottungsprozess stattfindet. Dazu kommt noch der Ertrag der Kompost-Trenn-Toilette, d.h. die kompostierten Feststoffe, sowie der direkt verwendbare Urin, der 1:10 verdünnt als Gemüsedünger ausgebracht wird.

In der Ertragszone finden außerdem die Mulchwürste Anwendung. Grasschnitt wird angetrocknet und dann zu Würsten gedreht, die dann auf die Gemüsebeete gelegt werden. Diese „Würste“ sind multifunktional. Sie beschatten den Boden, so dass nicht so viel gegossen werden muss. Unter ihnen kann man Schnecken absammeln. Viele legen zu dem Zweck Holzbretter aus. Die Mulchwürste haben aber den Vorteil, dass sie eben Nährstoffe abgeben und das Bodenleben füttern und fördern. Sie lassen sich auch gut bewegen und verschieben oder einzeln entfernen, wenn ein Saatplatz oder ein Pflanzplatz zusätzlich benötigt wird. Auf die Weise ist also alles, was Nährstoffe enthält gleich wieder umgenutzt, ohne den Zwischenschritt, einen Kompost anzulegen. Aus eigener Erfahrung finde ich die Mulchwürste grade bei „kleinteiligem“ Gemüse sehr praktisch, weil z.B. nicht der Ackersalat erst noch mühsam von Mulchschnipseln befreit werden muss – die Würste sind nebenbei auch noch eine „saubere Sache“.

Dass der Nährstoffübertrag unglaublich gut funktioniert zeigt das Titelfoto dieses Beitrags. Statt der typischen Steinpyramide, die du vielleicht für einen Beitrag zum Besuch beim Gründer der Hortus-Bewegung erwartet hättest, hier ein Bild von einem der Gemüsebeete im Hortus Felix. So sieht dort die ganze Ertragszone aus. Während gerade ganz viele jammern über das schrecklich kalte und nasse Wetter und die vielen Schnecken – steht das Gemüse dort üppigst und zum Teil schon kurz vor der Erntereife.

Gespannt war ich übrigens nicht nur auf die Horti, sondern auch auf Markus Gastl selbst. Viele Gruppierungen, die sich mit natürlichem Gärtnern und Schutz der Artenvielfalt befassen, nehme ich als dogmatisch und intolerant wahr. Mich stört sehr, dass, statt Wissen und Erfahrungen auszutauschen und so voneinander zu lernen, sich eher abgegrenzt wird, nach dem Motto „Wir sind die wahren Guten und ihr anderen habt keine Ahnung.“ Ich glaube auch, dass es nicht „die eine richtige Art“ zu gärtnern gibt. Nach meiner Auffassung ist Natur so komplex und wir wissen noch so wenig über die unzähligen Zusammenhänge, dass niemand die Wahrheit gepachtet haben kann.

Markus jedenfalls ist herrlich undogmatisch. Er hält sich nicht für den großen Gartenguru, sondern verfolgt einfach sein Ziel, möglichst viel Artenvielfalt zu ermöglichen. Und: er erzählt nicht nur – er macht! Beide Gärten zusammengerechnet kann er auf gut einem Hektar zeigen, dass das, was er tut, auch wirklich funktioniert. Messias-Allüren sind ihm komplett fremd und er beantwortet Fragen klar, kompetent und niemals von oben herab.

Wir haben eine Menge Anregungen mitgenommen Mondsichelbeete als Hangbeete, Ziegelmauern als Beetbegrenzung, direkt auffüllen mit Grünmaterial, flache Teichbecken für Amphibien, Kompostkörbe mitten im Beet – alles schon mal wo gelesen, gehört, in Bücher gesehen. Bei Markus aber in Umsetzung gesehen: es klappt wirklich!

Übrigens sind wir auch der Empfehlung auf seiner Homepage gefolgt und haben in der Pause zwischen den beiden Besichtigungen noch den Hortus Biene Maja besucht. Ebenfalls ein wunderschöner Ort.

Hast du schon mal einen Hortus besichtigt und wenn ja, welchen?

 

 

5 Comments

  1. Ilse Juli 1, 2024 at 10:06 pm - Reply

    Hortus Herrenbergensis gibt die Tage der offenen Gartentür auf seiner Facebookseite bekannt. Habe eine Führung mitgemacht. War groß und sehr beeindruckend

  2. Ilse Juni 30, 2024 at 9:05 pm - Reply

    Die beiden Hortusse von Markus Gastl, sowie Biene Maja und heute nachmittag den Hortus Herrenbergensis

    • admin Juni 30, 2024 at 9:24 pm - Reply

      Oh – Herrenberg ist ja gar nicht weit weg. Hast du dich da angemeldet, oder bist du einfach so vorbeigegangen? Ich hab mir fest vorgenommen, mich mal in den Horti der näheren Umgebung umzuschauen.

  3. Enrica Juni 30, 2024 at 6:14 pm - Reply

    Ja, den Hortus Evae, mitten in Stuttgart. Da gab es auch mal eine Veranstaltung zum Hortusgärtnern.

    • admin Juni 30, 2024 at 9:26 pm - Reply

      Den kenne ich natürlich auch, ist zu Fuß keine Viertelstunde von hier. Und hey – bei der Veranstaltung war ich damals auch! Allerdings war ich noch ziemlich plan- und ahnungslos, hab mir erst später ein Buch von Markus gekauft (Naturgarten & Permakultur). Da wurde mir erst klar, wie gut die Konzepte zusammenpassen.

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