Schon einmal war ich fassungslos: trotz klarer Position des damaligen Bundesumweltministeriums hat der ebenso damalige Landwirtschaftsminister Schmidt die Verlängerung der Glyphosatnutzung 2017 in einem Alleingang zugestimmt. Jetzt konnten sich die EU-Mitgliedstaaten in zwei Runden nicht einigen und haben so der EU-Kommission die alleinige Entscheidungsmacht in die Hände gespielt.

Viele Länder, darunter Deutschland, haben sich übrigens gar nicht positioniert, sondern enthalten. Was soll das übrigens für eine Politik sein?

Jedenfalls – die EU-Kommission hat daraufhin die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Zwar sind in den USA schon Gerichte zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat ursächlich für Krebserkrankungen ist und hat den Hersteller zu hohen Schadensersatzleistungen verurteilt. Aber die EU-Kommission hat die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Zwar gilt Glyphosat als neurotoxisch, sprich nervenschädigend. Aber die EU-Kommission hat die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Zwar sind noch mehrere hundert solcher Gerichtsverfahren mit gleichem Thema anhängig.Aber die EU-Kommission hat die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Zwar hat die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bereits vor 4 Jahren veröffentlicht, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. Aber die EU-Kommission hat die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Zwar tötet Glyphosat nicht einfach nur Pflanzen, sondern stört damit das Nahrungsnetz nachhaltig und treibt das sowieso größte Artensterben ever weiter voran. Aber die EU-Kommission hat die Glyphosatnutzung um weitere 10 Jahre verlängert.

Luxemburg hatte den Glyphosateinsatz bereits schon verboten – und wurde daraufhin von Bayer, dem Hersteller, verklagt, weil es mit seinem Alleingang gegen EU-Recht verstoße.

Der jetzige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will versuchen, die Glyphosatnutzung in Deutschland zu unterbinden – aber glaubt man den Unkenrufen und schaut sich das Beispiel Luxemburg an, hat er geringe Erfolgsaussichten.

Einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Hersteller eines wahrscheinlich krebserregenden Totalherbizides, also ein Unternehmen (!), verklagt einen Staat (!!!). Und: bekommt Recht. Das Verbot wurde vom Gericht gekippt.

Wie konnte das eigentlich passieren, dass Umweltpolitik inzwischen von Chemiekonzernen gemacht wird?

Was ist Glyphosat überhaupt?

Glyphosat ist ein Totalherbizid.

Ich übersetze mal: total = gesamt, herba = Kraut, -izid (vom Verb caedere) = töten. Also eine Substanz, die sämtliche Pflanzen, die damit in Berührung kommen, abtötet. Alles andere als das schönfärberische Wort „PflanzenSCHUTZmittel“ vermuten lässt.

Wird es in der Landwirtschaft eingesetzt, um ein Feld unkrautfrei zu machen, wächst dort: nichts mehr! Keine einzige Wildpflanze.

Das bedeutet: Bodenlebewesen bekommen keine Nahrung (Pflanzenmaterial) mehr: und sterben. Insekten finden keine Nahrung (Pollen, Nektar) mehr: und sterben. Vögel & Kleinsäuger finden keine Nahrung (Insekten) mehr: und sterben. Größere Beutegreifer finden keine Nahrung (Vögel, Kleinsäuger) mehr: und sterben.

Angebaut wird dann auf so einem Feld: Nahrung für Menschen! Und zwar Pflanzen, die so gezüchtet und verändert wurden, dass sie nicht von Glyphosat geschädigt werden. Allerdings wachsen sie auf einem nun toten Boden. Nährstoffe müssen diesen Kulturpflanzen (Getreide, Gemüse, Obst,…) künstlich zugeführt werden: mit Dünge. Da die Fressfeinde von Pflanzen“schädlingen“, z.B. Läuse, Kartoffelkäfer,… mangels Nahrung verhungert, mindestens aber abgewandert sind (und dort, wo noch günstige Bedingungen für sie herrschen, immer stärkerer Nahrungskonkurrenz ausgesetzt sind) braucht es jetzt noch ein anderes –izid, mit dem die Fressfeinde bekämpft werden, ein Pest-izid. Das gelangt natürlich, genau wie Glyphosat, auch in den Boden. Und vom Boden in die Luft und in Gewässer. (Wo es in Tiere gelangt, die am, im oder vom Wasser leben, und sie schädigt, also Fische und Amphibien. Zumindest Fische landen dann auch auf unseren Tellern…) Und von den Gewässern gelangt es in unser Trinkwasser. Und vom Trinkwasser in unsere Körper. Glyphosat-Rückstände konnten in vielen Lebensmitteln, im Wasser, in der Luft und – logisch, oder? – im menschlichen Körper nachgewiesen werden. Das wurde in Reihenuntersuchungen mit freiwilligen Urinproben schon 2017 festgestellt, bevor der damalige Landwirtschaftsminister seinen Alleingang durchzog.

Klar muss auch sein: durch Wind und Regen wird Glyphosat von Flächen mit konventioneller Landwirtschaft auch auf andere Gebiete (nicht nur direkt angrenzende!) gelangen. Und damit auch auf Flächen mit Bio-Landwirtschaft. Und diese Bio-Landwirte können dann ihre Ernte nicht verkaufen, weil sie nicht mehr bio ist. Wie KRANK ist das eigentlich?

OK – was kann jede*r einzelne tun?

  1. Jeder Kassenzettel ist ein Stimmzettel! Deshalb ausschließlich Bio-Lebensmittel kaufen! Je strenger die Richtlinien, desto besser. Das EU-Biosiegel (das grüne mit den Sternchen) erlaubt nämlich noch immer einen geringen Anteil nicht-bio angebauter Anteile. Strenger sind Bioland, Naturland und Demeter. Oft haben sich auch einzelne Unternehmen per Selbstverpflichtung vorgenommen, noch strengere Regeln anzuwenden, als die EU verlangt. (z.B. – unbezahlte Werbung – Rapunzel).
    Du kannst damit zwar nicht ausschließen, dass Glyphosat (oder andere Gifte aus der konventionellen Landwirtschaft) in diese Produkte gelangt sind. Du unterstützt mit deinem Einkauf aber definitiv Menschen, die sich für ein umweltgerechtes land-wirtschaften stark machen und nicht diejenigen, die sich für Glyphosat starkgemacht haben und es einsetzen.
  2. Selber anbauen! Im eigenen Garten hast du die größtmögliche Kontrolle. Und davon ab auch die geringsten Transportwege.
    Übrigens hat eine Studie der TU Berlin ergeben, dass die Schadstoffeinträge in der Stadt bereits ab dem 2. Stock an einer Straße oder bei einem Abstand von 10m von der Straße weg so gering sind, dass sie unter den kritischen Grenzwerten bleiben! Und übrigens ist Stadtnatur inzwischen weniger schadstoffbelastet als die auf dem Land – weil der Einsatz von auf landwirtschaftlichen Flächen noch zulässigen Umweltgiften in Siedlungsgebieten bereits verboten ist!
  3. Permakultur!!! Der ganze Kladderadatsch an –iziden wird ja erst durch die vermeintlich alternativlose konventionelle Landwirtschaft mit gigantischen Monokulturflächen notwendig. Wo Pflanzen in Polykultur wachsen, werden die Nährstoffe in Böden nicht ausgelaugt, Felder werden nicht künstlich „entlaubt“ und der Erosion ausgeliefert, sondern sind immer bewachsen und damit vor Wind-, Licht- und Wassererosion geschützt. Bodenlebewesen kann gedeihen, die Nährstoffdichte bleibt im Boden erhalten, Pflanzen brauchen nicht künstlich gedüngt zu werden, das natürliche Gleichgewicht des Nahrungsnetzes bleibt erhalten, Schädlinge kommen, Schädlingsfresser rücken nach… Und in unserer Nahrung ist kein Gift.

Wie geht es dir mit der Entscheidung, dass Glyphosat weitere 10 Jahre verwendet werden darf?

 

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