Kennst du das Hortus-Prinzip?

Vor ein paar Jahren war ich in der Stadt unterwegs – und traute meinen Augen nicht. Mitten in einer eher „betonwüstigen“ Ecke Stuttgarts, nicht weit vom City-Ring, stand ich plötzlich vor einem Permakulturgarten. Pflanzen in verschiedenen Schichten, Totholz, Reisighaufen, Steinhaufen – alles da! Unterschlupf, Futterstelle und Kinderstube für einheimische Tiere und ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen. Earth Care – People Care – Fair Share auf kleinstem Raum.

Ich lernte dann aber von einer Erklärtafel, dass dieser Permakulturgarten nicht einfach nur ein Permakulturgarten, sondern ein Hortus –und zwar der Hortus Evae – sei. OK, schien mir logisch. Hortus heißt Garten (Latein) und Eva passte auch irgendwie, weil der Garten zum Bibliorama, dem Stuttgarter Bibelmuseum gehört.

Nicht viel später stand ich mal wieder im Buchladen vor dem Regal „Garten“ – und entdeckte ein Buch namens Permakultur & Naturgarten. Von Markus Gastl, der darin das nachhaltige Gärtnern nach einem Drei-Zonen-Modell erklärt. Auf drei Zonen bin ich gleich angesprungen, denn die 5 Zonen der Permakultur (manchmal auch 6, wenn man das Haus als 0 mitzählt) finde ich etwas schwierig, wenn es um Gärten durchschnittlicher Größe geht. Klar kann ich außen immer Wildnis lassen und irgendwo wird Zone 1 sein, wo ich am häufigsten bin. Aber so von 2-4 wird es in der Stadt dann doch oft etwas „bemüht“. (Inzwischen weiß ich, dass nicht jede Permakulturfläche zwangsläufig alle 5 Zonen beinhalten muss – aber damals war ich noch Anfängerin.)

Jedenfalls – Markus Gastl hat die Hortus-Bewegung ins Leben gerufen und sein hortus-insectorum ist der Ursprungs-Hortus der Bewegung, den er seit 2007 angelegt hat. Und in seinem Buch geht es weder primär um Permakultur, noch um Naturgärten (noch eine Gärtner-Bewegung) – sondern vor allem um das Hortus-Prinzip und den Vergleich mit Permakultur-Gärten und Naturgärten.

So ganz einverstanden bin ich nicht mit der Abgrenzung dass Permakulturgärten immer ein Energiedefizit und Naturgärten immer einen Energieüberschuss hätten und nur der Hortus ein geschlossener Kreislauf ist. Aber die Idee der drei Zonen und die Bilder mit Gestaltungsbeispielen fand ich doch so ansprechend, dass ich weitergelesen habe.

Die drei Zonen eines Hortus sind Pufferzone – Hotspotzone – Ertragszone.

Dabei ist die Pufferzone die Zone, welche einen Garten nach außen abgrenzt und schützt. Das entspricht im Permakulturgarten in etwa der Zone 5/Wildniszone. Für einen Hortus werden vor allem heimische Wildgehölze vorgeschlagen. Die Grenze kann aber auch mit Totholz (Reisighaufen, Benjes-Hecke), Sand- und Steinhügeln gestaltet und ergänzt werden. Ziel ist, dass durch den Wildnisaspekt und solche Strukturelemente dort Wildtieren Nahrung, Unterkunft und Kinderstube geboten wird.

In der Hotspotzone ist das Ziel dann, maximale Artenvielfalt zu erreichen. Dazu wird der Boden abgemagert, um Blumenwiesen und Steingärten anzulegen. (Achtung: STEINgärten, nicht Schottergärten!) Hier gibt es dann auch Naturmodule wie Nisthilfen, Sandlachen, Käferkeller uvm. In der Hotspotzone finden dann besonders viele einheimische Tiere und Pflanzen ein Zuhause. (Wie im Naturgarten wird im Hortus auf einheimische Pflanzen größter Wert gelegt.) Das Abmagern sehe ich etwas kritisch, weil in der Hortusbewegung teils guter Mutterboden abgetragen und mit Bauschutt, Sand etc. künstlich „abgemagert“ wird. Bei der Umgestaltung eines ohnehin künstlichen Geländes, sagen wir mal Vorgärten in einer neugebauten Reihenhaussiedlung – nur zu! Das kann damit nur besser werden. Aber natürlich gewachsenen und belebten Boden willkürlich abzumager,n um dort eine Magerblumenwiese zu installieren, halte ich für künstlich und vermutlich auch nicht zielführend. Zum einen blüht z.B. auch auf einer Fettwiese so einiges, vor allem aber: sind denn die Besucher, die so eine Magerwiese brauchen, dann überhaupt da, wenn da vorher Fettwiese war? Oder finden die Magerwiesenblumen keine Bestäuber und werden in den Folgejahren immer „unbunter“? Davon aber ab – die Idee dahinter, nämlich einen Bereich zu schaffen, in dem heimische Tiere und Pflanzen gut leben können, finde ich großartig,– auch wenn ich bei den Arten bleiben würde, die von Natur aus schon dort vorkommen. Di Hotspotzone entspricht jetzt keiner Zone im Permakulturgarten. Für mich aber im Sinne von Fair Share einem ganz wichtigen Aspekt der permakulturellen Ethik. Permakultur ist nur Permakultur, wenn wir unsere Fläche auch fair teilen mit denen, die da auch leben wollen – und uns in aller Regel auch helfen beim Gärtnern, nämlich den einheimischen Tieren und Pflanzen. Außerdem sind solche Plätze einfach nur Balsam für die Seele. Einfach mal sitzen, lauschen, schnuppern, spüren – auch dazu ist ein Garten gut. People Care! Und wo beides zusammenkommt, wird automatisch das Bewusstsein für Earth Care wachsen. Gefiel mir also spontan sehr, diese „neue“ Zone.

Die Ertragszone ist dann das, was sich in der Permakultur von Zone 1 bis Zone 4 erstreckt. Auch hier kann mit Naturmodulen gearbeitet werden. Kräuterspiralen aus Trockensteinen sind z.B. Steinhaufen und Ertragsbeet in einem. Die Ertragszone dient der Selbstversorgung und hier sind dann auch nichtheimische Pflanzen „erlaubt“. Haselnuss-Wildkohl-Diät ist also nicht notwendig, um „hortan“ zu sein.

Pflanzen“schutz“mittel, also –izide um „Unkräuter“, Pilze und „Schädlinge“ zu vernichten sind genauso verpönt wie Kunstdünger. Und als Ideal wird ein geschlossener Nährstoffkreislauf angestrebt. Und damit sind wir Permies ja komplett einig!

Als ich im letzten Jahr meine Balkone als Wettbewerbsbeitrag bei Deutschland summt eingereicht habe, ging mir bei der Beschreibung auf, dass das nun nicht nur Permakulturbalkone und Waldbalkone geworden waren. Durch die Wildpflanzen, die ich im Rahmen meiner Wildpflanzenpädagogik-Ausbildung zur Beobachtung auf den Balkon brachte, nahm nämlich sichtbar die Zahl der Wildtiere zu, die vorbeischauten. Das brachte mich dann dazu – endlich – auch mal etwas zwischenzupflanzen, was nicht essbar ist. Jedenfalls nicht für mich, für die Tiere schon. Zu den Wettbewerbsbedingungen gehörte dann auch das Vorhandensein Strukturelemente wie Totholz, Wasserflächen, Steinlegen – also das, was im Hortus ebenso vorhanden sein muss. Sumpftopf und Miniteich hatte ich schon. Steine und Totholz sowie Nisthilfen habe ich dann noch dazugebracht. Und damit nochmals, wirklich sofort und deutlich mehr Besucher angelockt. Und zudem mit dem wunderbaren Ergebnis, dass das Balkondesign jetzt nicht mehr nur zweckmäßig, sondern auch einfach nur schön wurde.

Und schwupps: war doch mein Balkondesign auch noch ein Hortus-Design? Glaube ich jedenfalls. Darum habe ich gestern das City-Paar-Zellchen für den Eintrag im Hortus-Netzwerk vorgeschlagen und bin sehr gespannt, ob es klappt. Ich bin jedenfalls total angetan von dem Thema Hotspotzone und der Idee, den Garten nicht nur für die Besitzer, sondern auch für all die vielen wilden Nutzer und Mitgärtner lebenswert zu gestalten. Und so sind meine Balkone kleine Flicken in einem hoffentlich immer stärker wachsenden Flickenteppich aus lauter kleinen Trittsteinbiotopen.

p.s. vom 29.2. Es hat tatsächlich geklappt und seit 25.2.2024 darf sich das City-Paar-Zellchen stolz Hortus nennen!

Machst du mit?

 

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