Ein Jahr soll man seine Anbaufläche erst einmal beobachten, bevor man beginnt, ein Design zu entwickeln. Ein Jahr, in dem man die sich mit dem Jahresverlauf verändernden Einflussfaktoren beobachtet, misst, notiert. Diese Empfehlung steht in fast jedem Permakultur-Buch – und fast jede*r, der/die gärtnert: hält sich nicht daran.

Viel zu groß ist die Ungeduld und die Neugier und die Vorfreude auf eigene Ernte. Und so lange man , im Kleinen angefangen und keine großen Veränderungen am Gelände vorgenommen hat, ist ein Misserfolg vor allem eins: eine sehr einprägsame Lernerfahrung.

Klar ist, dass die Prinzipien, von denen ich die letzten zwei Wochen geschrieben habe, da öfter mal außer Acht gelassen werden. Zumal, wenn man noch Anfänger*in ist und sich erstmal einfache Schritte wünscht.

Dabei gibt es den Leitfragen, die man sich bei Analyse und Design stellen sollte, noch etwas Übergeordnetes: die Permakultur-Ethik: Earth Care – People Care – Fair Share.

Übersetzt wird das häufig ganz einfach mit: Sorge für die Erde – Sorge für die Menschen – Teile gerecht. Ist es so einfach? Insbesondere beim dritten Teil gehen die Übersetzungen und Erklärungen weit auseinander.

Was fällt mir dazu ein?

Earth Care – Sorge für die Erde:

Sich sorgen, für etwas sorgen, das ist aktives Tun. Schnell ist man bei der Frage, was Sorge für die Erde wohl bedeuten soll deshalb mit Rezepten zur Hand wie nur natürlich düngen, „Unkraut“ und „Schädlinge“ nur natürlich bekämpfen, Mischkultur statt Monokultur anwenden…

Ist es so einfach?

Sorge für die Erde schließt ganz klar Bodenpflege (und damit die Pflege des Bodenlebens) mit ein, aber auch alles andere Leben auf der Erde, sei es tierisch oder pflanzlich. Außerdem die Pflege aller Böden und des Wassers und der ressourcenschonende Umgang mit ihnen. Und das auch dann, wenn diese Lebewesen und Ressourcen gerade keinen direkten Nutzen für uns haben. Und manchmal ist Pflege eben…

…gar nichts tun. Funktionierende Ökosysteme nicht pflegen – also irgendwie bearbeiten, unterstützen, verbessern – wollen, sondern einfach mal: schützen, nicht eingreifen, in Ruhe lassen.

Wir müssen uns im Klaren sein, dass jeder noch so kleine Garten eine „Welt im Schuhkarton“ ist, die wir nach menschlichem Wissen und Gewissen schaffen – aber eben nicht die natürliche Welt. Sobald wir gärtnern, greifen wir in ein bereits bestehendes System ein – und mal ehrlich: wir wissen alle, dass wir es, egal wie gut wir es meinen, nie so gut hinkriegen wie die Natur selbst!

Und übrigens – Stichwort Nachhaltigkeit… Mal davon ab, dass dieses Wort inzwischen so oft gebraucht wird und so oft für einen „grünen Anstrich“ für alle möglichen Produkte und Dienstleistungen missbraucht wird: wollen wir in einer Zeit, in der wir den Zenit für manche natürliche Ressourcen schon überschritten haben wirklich „nachhaltig“ handeln? Was heißt doch: den Status Quo erhalten. Und wer daran festhält, hat den Gong noch nicht gehört. Wir müssen nicht den Status Quo erhalten, wir müssen regenerativ wirtschaften.

People Care – Sorge für die Menschen

Kein Mensch wird die Zerstörung der Umwelt und damit seiner Lebensgrundlage gutheißen. Man muss es sich aber schlicht leisten können, ökologisch zu handeln.

Bevor unsere Grundbedürfnisse nicht befriedigt sind, können wir uns um nichts anderes kümmern. Sorge für die Menschen muss also erst einmal ihren grundlegenden Bedarf decken. Nahrung, sauberes Trinkwasser, ein Dach über dem Kopf, die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen durch eigenes Einkommen oder Ernte, Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Wer das nicht hat, wird sich kaum für ökologische Geldanlagen, Elektromobilität oder Möbel aus zertifiziertem Echtholz begeistern.

Es geht also um Zugang zu und Teilhabe an den Ressourcen, welche diese Grundbedürfnisse decken. Solidarität heißt nicht, jemanden zu „versorgen“, also zu einem passiven Empfänger von Zuwendungen zu machen. Sondern darum, Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Lebensbedingungen selbst so zu gestalten, dass sie tragfähig und zukunftsfähig sind. Es geht um Teilhabe! Und es geht auch um Gemeinschaft, Kooperation und Austausch von Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten.

Ein Beispiel aus Praxisbuch Permakultur von Jessi Bloom & Dave Boehnlein: Wenn ich nicht genug zu essen habe, werde ich einen Park mit nutzlosen Zierpflanzen nicht wertschätzen und pfleglich behandeln. Wenn derselbe Park mit essbaren Pflanzen bestückt ist und ich auch ernten darf, werde ich das aber sehr wohl tun. Und damit nicht nur meine Existenzbedürfnisse nach Nahrung und Behausung gestillt wissen, sondern auch soziale Bedürfnisse wie Kontakt, Teilhabe, Lernen und Weiterentwicklung stillen können. Die Grundvoraussetzung dafür sind, dass jeder Mensch sich um Enkeltauglichkeit dieser Welt kümmern kann.

Oder um ein Beispiel aus der Entwicklungshilfe zu nehmen: es geht nicht darum, Experten in arme Länder zu schicken, um dort zu „helfen“. Es geht darum, die Menschen in diesen Ländern zu Experten auszubilden, um Abhängigkeit und damit Ausbeutung zu beenden.

Fair Share – Teile gerecht

Noch vor ein paar Jahren fand ich als Erklärung für „teile gerecht“ immer mal wieder „die Gleichverteilung von Ernte und Gewinn“. Das entsprang wohl sehr dem zeitgeistigen Streben nach unendlichem Wachstum und Gewinnmaximierung.

Maximierung ist so ein Stichwort. Der allgegenwärtige Machbarkeitswahn…. Bloß: wohin mit dem ganzen Überfluss. Überfluss, der nicht verwertet werden kann, ist nämlich kein Ertrag, Gewinn, nicht Gutes, sondern schlicht und einfach: Abfall.

Es geht um ein neues Mindset. Nicht das Maximum soll aus allem herausgeholt werden, um sich hinterher zu überlegen, was man denn mit dem Ergebnis jetzt macht. Sondern Konsum und Wachstum werden so geplant, dass sie sich auf das Notwendige statt das Machbare richten. Falls Überschuss erwirtschaftet wird und werden kann, ohne Erde und Menschen auszubeuten, wird dieser reinvestiert in genau das: Sorge für die Erde und Sorge für die Menschen.

Gerechtes Teilen heißt auch, dass der Zugang zu natürlichen Ressourcen allen Menschen möglich sein muss und nicht durch Besitzverhältnisse eine künstliche Verknappung der eigentlich für alle 8 Milliarden ausreichenden Ressourcen geschaffen wird.

Und hier wird deutlich: die drei Ethiken sind nicht unabhängig voneinander, sondern greifen ineinander. Es reicht nicht, nur für die Erde zu sorgen oder nur für die Menschen. Nur da, wo Earth Care – People Care – Fair Share eine gemeinsame Schnittmenge bilden, wo alle drei Aspekte erfüllt sind: nur da finden wir echte Permakultur. Designst du also deine Fläche nur mit deinem eigenen Vorteil im Kopf, kannst du noch so viele „Permakultur-Prinzipien“ berücksichtigen: es ist ein Design. Aber kein Permakultur-Design.

Quelle Beitragsbild: frei verfügbare Grafiken von KTShepherd

 

Hinterlasse einen Kommentar