The Hungry Gap – die Hungerlücke. Sagt dir das was?

Als ich noch vom Gärtnern nur geträumt und sehnsüchtig über fremde Gartenzäune gelinst habe, dachte ich ja immer „Hach, wie fruchtbar und reichhaltig die Natur doch im Frühjahr ist!“ Grade jetzt fällt ja das viele frische Grün, die ersten Blüten und die zunehmende Zahl an Insekten auf. Bloß – deckt uns die Natur jetzt wirklich reichlich den Tisch?

Nein! Im gemäßigten Klima befinden wir uns gerade eben nicht in einer Zeit der Fülle, sondern in einer Hungerlücke. Damit wird die Zeit zwischen dem Zu-Ende-Gehen der eingelagerten und konservierten Wintervorräte und den teils schon gesäten, teils noch zu pflanzenden, jedenfalls längst noch nicht fruchtenden Nahrungspflanzen beschrieben. Im Deutschen spricht man heute im übertragenen, früher aber im ganz realen Sinne von „Saure-Gurken-Zeit“ (weil sauer eingelegtes Gemüse lange haltbar ist).  Das war die Zeit, wo es nichts zu ernten gab und man sich also von dem ernähren musste, das konserviert und über den Winter verzehrt werden konnte. Je nachdem, wie gut die Ernte war, reichten die Vorräte dann bis zur nächsten Ernte – oder es war über etliche Wochen „Schmalhans Küchenmeister“. Wir waren in der „Hungerlücke“.

Waren? Ist das wirklich Vergangenheit?

Wir sind heute so sehr daran gewöhnt, dass es immer alles zu kaufen gibt, dass uns gar nicht mehr bewusst ist, dass es diese Versorgungslücke noch immer gibt. Wir decken sie, indem Nahrungsmittel von überallher auf der Welt importiert werden. Oder indem wir technische Lösungen verwenden, z.B. Anbau in geheizten Gewächshäusern, aufwändige Kühlung und Feuchthaltung… Alles nicht gerade permakulturelle Lösungen.

Was kannst du also tun, um die Hungerlücke so zu überbrücken, dass keine langen Transportwege und kein energieintensiver Anbau notwendig ist?

  1. Wintergemüse anbauen: nicht nur zwischen den Jahren ist Gartenplanungszeit, sondern auch nochmals mitten im Hochsommer. Bis in den Oktober, November hinein, kann ausgesät und gepflanzt werden. Wobei das Pflanzen oft daran scheitert, dass nur wenige Gärtnereien bis jetzt Wintergemüsesetzlinge produzieren. Hier ist selbst Vorziehen angesagt. Nicht alles, was jetzt in die Erde kommt, ist noch im gleichen Jahr beerntbar. Aber die Pflanzen stoppen ihr Wachstum nur, um im Frühjahr kräftig auszutreiben. Typische Pflanzen dafür sind z.B. Feldsalat und Spinat. Aber auch Kohlsorten und Asiasalate (die zur selben Pflanzenfamilie gehören) überstehen den Winter und wachsen so im Frühjahr denen davon, die erst dann ausgesät werden.
  2. Regional und saisonal essen: Es gibt ausgeprägte Wintersalate wie Endivien oder Zuckerhut, die allerdings am besten einen Folientunnel bekommen – nicht als Kälte- sondern als Nässeschutz. Wenn du sie wie Pflücksalat beerntest, kannst du das bis weit ins nächste Frühjahr tun, bis sie beginnen zu schießen und in Blüte gehen. Wintergemüse sind auch solche, die entweder den ganzen Winter draußen stehen bleiben können (z.B. Grünkohl, Rosenkohl, Topinambur,…), aber auch die, welche zwar im Herbst geerntet, aber lange gelagert werden können (Kartoffeln, Möhren, Bete, Rüben,…)
  3. Gut lagerfähige Gemüse und Obstsorten anbauen: Äpfel halten sich lange, Birnen nur wenige Wochen (außer du konservierst sie irgendwie). Kürbisse lassen sich, voll ausgereift, über Monate lagern. Wurzelgemüse sind lange lagerfähig.
  4. Die richtigen Lagertechniken erlernen: Heute packen wir alles in den Kühl- oder Gefrierschrank und schmeißen trotzdem viel zu viele Nahrungsmittel weg. In Zeiten, als es noch keinen Strom gab und/oder noch keine Kühlmöglichkeit, mussten sich die Menschen anders behelfen, um über den Winter zu kommen. Lies nach, wie welches Gemüse am besten gelagert wird und wie lange was im Lager haltbar bleibt.
  5. Alte Konservierungstechniken lernen: Dörren, Einsalzen, in Zucker Konservieren, Einkochen, sauer Einlegen, Fermentieren, … Das alte Wissen war fast schon vergessen, wird aber gerade wiederbelebt. Es gibt immer mehr Bücher dazu (wie bei jedem Trendthema genau anschauen, bevor du in sie investierst…) Beste Möglichkeit von allen: Menschen befragen, die noch wissen, wie das geht und es sich zeigen lassen.
  6. Winteraussaat probieren: wer schon eine Weile gärtnert weiß, dass sich z.B. Tomaten, die wir hier als wärmeliebendes Fruchtgemüse im Haus vorziehen und päppeln, sehr gerne selbst aussäen und oft sogar kräftigere Pflanzen so entstehen als durch Voranzucht. Die Samen überleben also im Boden Schnee und Eis und keimen, wenn die Zeit trotzdem im nächsten Jahr, dann wenn es für sie günstig ist. Das kann man im Grund mit allen Samen probieren. Nicht alles wird klappen – aber Versuch macht klug! In Großbritannien werden z.B. Dicke Bohnen bereits im Herbst gesät, nicht erst wie bei uns ab Februar. Natürlich sind die Winter im Seeklima nicht ganz so kalt wie unsere – aber wer nicht gerade in hohen Lagen wohnt, der hat gute Chancen auf Erfolge.
  7. Jungpflanzenanzucht im Haus: Würden wir Fruchtgemüse wie Paprika erst im Mai aussäen, könnten wir keine Früchte ernten, weil die Pflanzen eine lange Entwicklungszeit haben. Viele säen im Januar schon Paprika, der dann erst Mitte Mai ins Freiland kann. Und selbst da kann es, bei kühlen Sommern, knapp werden mit der Ernte, bevor der erste Frost kommt. Also: was lange braucht und viel Licht und Wärme benötigt, um Früchte zu bilden, wird vorgezogen. Die Geister scheiden sich, wann der Start ist. Je länger die Setzlinge im Haus bleiben, desto größer die Gefahr, dass sie wg. Lichtmangel vergeilen (so nennt sich das bilden sehr langer, schwacher und heller Triebe) und des Befalls mit Trauermücken. Bei Andrea Heistinger habe ich den Tipp gefunden, erst 6 Wochen vor dem Auspflanzen die Aussaat im Haus zu starten. Bei Tomaten klappt das bei mir gut, genauso wie das Ziehen von Süßkartoffeln-Stecklingen. Die Pflanzen sind dann zwar klein, holen aber schnell auf und wachsen kräftig. Für Paprika, Chili, Physalis ist es aber zu spät. Ausprobieren!
  8. Gewächshäuser & Frühbeete: beim Anbau „unter Glas“ kann man früher mit der Jungpflanzenanzucht starten und ihnen so einen zeitlichen Vorsprung zu verschaffen. Wenn du auf dem Balkon oder Fensterbrett gärtnerst, fehlt dir dafür der Platz (und deinen Nachbarn vermutlich die Begeisterung für mit Mist „beheizte“ Frühbeete), aber: Denke klein! Denke WINZIG! Du kannst eine PET-Trinkflasche zu einer Wärmeglocke für eine einzelne Pflanze umfunktionieren. Oder: Durchsichtige Aufbewahrungsboxen als Frühbeet verwenden. Denk nicht: das und das geht alles nicht, weil ich keinen Platz habe. Denke: das und das geht, obwohl ich nicht viel Platz habe.
  9. Essbare Wildpflanzen in den Speiseplan einbauen: (dazu hab ich hier schon was geschrieben). Im Gegensatz zu unseren Kulturgemüsen und –obstsorten gibt es rund ums Jahr essbare Wildpflanzen. Gerade im Frühjahr, wenn sie neu austreiben und noch die volle Kraft haben, sind sie unglaublich nährstoffreich. Klar wird auch mit steigenden Temperaturen hier die Fülle größer – aber für Wildpflanzen gilt: irgendwas wächst immer!

Was sind deine Tipps für die Überbrückung der Hungerlücke?

 

 

 

 

 

 

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