Das Design unserer beiden Balkone ist während meines Online-PDC (Permaculture Design Course) als Abschlussarbeit entstanden. Davor war mir gar nicht klar, wie viele verschiedene Mikroklimata und wie viele Zonen auf so einem kleinen Raum vorhanden sein (oder bewusst geschaffen werden) können.
Nach dem Kurs 2020 war ich wild entschlossen, das Design in die Tat umzusetzen. Allein – die Pandemie, Baumärkte nur offen für Handwerker… das war erstmal … suboptimal… Vielleicht zum Glück, denn bei so viel Zeit in den eigenen vier Wänden habe ich gleich den nächsten Onlinekurs gebucht, den Basiskurs Waldgarten bei Waldgarten.global. Diese Abschlussarbeit habe ich tatsächlich auf unseren Garten ausgerichtet – aber es kamen so viele Ideen dabei rüber, die auch auf kleinstem Raum umsetzbar sind! Mir war plötzlich klar, dass „vertikales Gärtnern“ so viel mehr ist, als nur Pflanzkästen an die Wände zu schrauben oder ein Rankgitter zu montieren.
Im Waldgarten spricht man von folgenden Schichten.
- Wurzelschicht
- Bodendecker
- Krautschicht
- Strauchschicht
- Niedrige Baumschicht
- Hohe Baumschicht
- Kletterpflanzen
OK, eine hohe Baumschicht auf dem Balkon ist nicht machbar. Aber die niedrige, mit Zwergobstbäumen, Säulenobst oder Spalierobst sehr wohl. Und auch Sträucher, z.B. Beerensträucher oder die Felsenbirne, gehen in Kübeln.
Die Idee war, eine Pergola zu bauen, die im Sommer von schattenspendenden Kletterpflanzen bewachsen ist, im Winter aber durch den Laubfall das Licht wieder durchlässt. Wir haben uns für Wein entschieden und experimentieren noch mit weiteren Kletterpflanzen. Zurzeit ist der Wein noch im Kinderstadium und bekommt bei der Beschattung Unterstützung durch Jutebahnen, die wir an den Pergoladrähten wie an einer Wäscheleine aufhängen. Die Jute ist licht-, wind- und wasserdurchlässig wie ein Blätterdach und ein reines Naturmaterial. Im Winter wird sie nicht eingemottet, sondern als Mäntelchen um die Balkonpflanzen gelegt. Ich liebe solche Multifunktionslösungen. Auch typisch Permakultur! Man fragt: Was kann das? Und entscheidet sich für die Lösung, die mehrere Dinge kann.
Die Pergola sollte für Kühlung der Wohnung sorgen – und tatsächlich haben wir die „kuscheligen“ mitternächtlichen 39° (!!!) von ach dem Einzug nie wieder erlebt. Wir haben nicht einmal mehr die 30°-Grenze geknackt, seit wir so beschatten – und das in einem Altbau unterm Dach, mit großen südseitigen Fenstern.
Außerdem sorgt der Schatten dafür, dass auch Pflanzen, die mit der extremen Sonnen- und Windexposition unseres Südwest-Balkons nicht klarkommen, nun gedeihen. Aber nicht nur die Pergola schützt. Ganz außen stehen die, welche hart im Nehmen sind. Einheimische Wildpflanzen für Trockenstandorte und mediterrane Kräuter. Innen und ein klein wenig tiefer stehen dann Kästen mit Chilies. Die lieben Sonne und Wärme – brauchen aber auch genug Wasser. Und die Chilies wiederum schützen den Pflücksalat, der vorher gar nicht gedieh. Der hat nun Windschutz und Schatten.#
Das Ganze lässt sich auch noch weiter herunterbrechen – der Waldgarten im Gefäß. Zum Beispiel habe ich einen „sauren Kasten“, da stehen zwei Heidelbeeren drin. Schon mal beschattet von oben, da typische Waldpflanzen. Unter den Heidelbeeren wachsen Waldsauerklee, Duftveilchen, Schattensteinbrech, Goldnessel,… Oder: unterm Wein wachsen Schnittlauch, Erdbeeren und Echtes Leinkraut – und ein Malabarspinat und eine Tomaten winden sich durch die Ranken des Weins. (Nö, die Tomate habe ich nicht gepflanzt. Die kommen irgendwie jedes Jahr an den unmöglichsten Stellen.) Ich habe also auch hier wieder Pflanzen mit unterschiedlichen Wuchshöhen, die miteinander co-existieren, wie eben auch im Wald. Fazit: Es geht beim Waldgarten nicht darum, unbedingt alle 7 Schichten eines natürlichen Waldes abzubilden – sondern darum, das System mit den Schichten, der Beschattung, der zueinander passenden Ansprüche an Licht, Wasser, Boden, miteinander verträglicher Wurzelsysteme… zu verstehen und sich bei der Zusammenstellung von Pflanzgemeinschaften zu Nutze zu machen.
Dich interessiert das noch mehr? Bei Waldgarten.global habe ich einen Gastbeitrag zum Waldgarten auf dem Balkon geschrieben, mit Tipps zur Gestaltung.
Was hältst du vom Waldgartenprinzip? Kannst du dir vorstellen, auf Balkon und Terrasse „größer“ zu denken und auch mit Gehölzen, Kletterpflanzen und Stauden zu arbeiten?